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Lebensstürme

Ein Cello, ein Saxophon besingen melancholisch aber einfühlsam die Einsamkeit von Eleanor Rigby, die am Ende des Liedes vom ebenso einsamen Father McKenzie beigesetzt wird – und machen damit so manchen Lebenssturm für einige Stunden vergessen, den vielleicht der eine oder andere Besucher der Pöllinger Kirche an diesem Abend mitgebracht hat.

So beginnt ein vielseitiger und vielschichtiger Konzertabend im Rahmen von Kultur am Berg. Immer wieder ist es erstaunlich, welche Strahlkraft, welche Fülle Julia Hofer und Edgar Unterkirchner aus ihren Instrumenten zaubern. Da wird das Cello zum Perkussionsinstrument, das Saxophon wird auf den S-Bogen reduziert, der schnaubt und röhrt, das Cello hält dem wiederum mit Walfischgesängen ähnelnden Klängen entgegen, welche die Musikerin dem Cello-Korpus entlockt. Bewundernswert ist aber auch die Flexibilität in der Instrumentierung: Da wird das Cello gegen den E-Bass getauscht, der funkt und wummert, die Saxophone weichen der Klarinette. Julia Hofer steigt einmal sogar zur Kirchenorgel empor, während Edgar Unterkirchner die Zugabe (die im Übrigen von Hanna Senfter, Matthias Haslinger und Stefan Lichtenegger – ja, die drei vom Frühlingskonzert – stimmlich unterstützt wird) auf der Gitarre begleitet – eine Premiere in der Pöllinger Pfarrkirche, die an diesem Abend vom Licht- und Filmkünstler-Team OchoReSotto in farbige Lichtwelten getaucht wurde. 

Heimliches Highlight für viele Besucher war aber der Auftritt von Thomas Feichter, der erstmalig seinen Platz hinter der Videokamera verließ und mit seinen Gongs gemeinsam mit Edgar Unterkirchner und Julia Hofer den Besuchern ein Klangbad einfüllte.

Für Aufsehen sorgte auch, dass beim traditionellen Ausklang auf dem Pfarrplatz – der Jahreszeit entsprechend mit Maroni und Sturm am Lagerfeuer – OchoReSotto die Pöllinger Kirche auch von außen spektakulär ins bunte Licht rückten.

Der singende Pottwal von Pölling oder: Herbstbeginn 2025

von Johanna von Polan

Wann haben sie den Herbstbeginn das letzte Mal so richtig zelebriert? Verstehen Sie mich nicht falsch: Wir rasen auf einem Steinklumpen mit 107.000 Sachen um die Sonne, haben also einen Affenzahn drauf. Spüren tun wir davon, Gottlob! nichts. Ohne den Physik-Diskurs vertiefen zu wollen (davon habe ich nun wirklich keine Ahnung!) meine ich diesbezüglich trotzdem anmerken zu müssen: den einen oder anderen Grund zu feiern gibt es für unsere kleine Erden-Reisegesellschaft nahezu täglich – und sei es eben nur, weil wir als Passagiere besagten Erdklumpens im Weltall nirgendwo dagegen prallen. Oben wie unten kommt es wohl immer auf das richtige Tempo an. Oder eben auf das richtige Nicht-Tempo, als Innehalten. Sich musikalisch mit Kultur am Berg in den Herbst zu begeben (gedacht als realer Ortswechsel) kann da nur folgerichtig sein. Sich in den Herbst hinein zuhören stimmt genau genommen nur halb, wo sich doch die Erde… aber lassen wir das!

Das KAB-Herbstkonzert, bzw. das zu diesem Behufe zusammengestellte Musikprogramm in diesem Jahr der Unruhe unter das Motto „Lebensstürme“ zu stellen, erscheint mir geradezu prophetisch genial. Oder sagen wir: Es verrät den starken Zug zum Tor, den die Pöllinger Pfarrkulturinitiative in ihrem mittlerweile vierten Jahr eins ums andere Mal zu beweisen gelingt. Die Kirche war auch diesmal – schon wieder! – brechend voll. Wobei Publikumsandrang allein natürlich kein Qualitätskriterium sein kann. Seien wir uns ehrlich: Wie oft erfüllt das mit Spannung erwartete Konzert, der Theaterabend oder die Ausstellung die eigenen, vielleicht überhöhten Erwartungen eben nicht? Und bleibt – ungeachtet aller Anstrengung der Proponenten – ein halbleeres Glas, nein schlimmer: ein hohles, weil belangloses Ereignis ohne inneren Nachhall? Was aber, umgekehrt: Wenn es einem schon nach wenigen Tönen (im Fall des Herbstkonzerts: von Edgar Unterkirchner und Julia Hofer) das Wasser ganz von selbst in die Augen treibt?

All the lonely people
Where do they all come from?
All the lonely people
Where do they all belong?

Ohne hier die Behauptung aufstellen zu wollen, dass alle Pöllinger Konzertbesucher zur Herbst-Tag-und-Nacht-Gleiche an Einsamkeit gelitten hätten, ist klar: Ausnahmslos jeder bringt seine eigenen Lebensstürme (nach Pölling und anderswohin) mit. Die jeweils zum Jahreszeitenwechsel dargebotenen Musiken (wie oben genannter Beatles-Song) berühren genau das in uns, wonach wir in Kunst, Kultur und Musik auf der Suche sind, es dann – einmal gefunden – aber doch lieber verbergen wollen (aus Scham, wovor?). Gegen diese Verwirrung gibt es ein einfaches Rezept. Es hilft, immer und immer wieder (am besten jeweils zu Frühling-, Sommer-, Herbst- und Winterbeginn) nach Pölling zu fahren (nicht vergessen Karten bei Margit Obrietan zu reservieren, die Kirche ist klein).

Sie merken es schon: Einen intellektuellen, ja seriös-distanzierten Zugang zur Musik von Edgar Unterkirchner mit seinen jahreszeitlich wechselnden Musik-Legionären bei KAB sucht man in diesem Text vergeblich. Ich finde: Wo sich ein Cello klanglich in einen singenden Pottwal verwandeln lässt und dann zur Kirchturmspitze fliegt, ist das auch gar nicht nötig. Es reicht völlig, die Musik den eigenen Geist befreien zu lassen – im Bewusstsein dessen, einen solchen Satz niemals irgendwo sonst niederzuschreiben. In Pölling, dort wo „Love &Peace“ widerspruchsfrei auf „Born to be wild“ trifft, muss man sich über diese und andere Kleinigkeiten einfach keine Sorgen mehr machen. Im kleinen Kärntner Bergdorf gehen „menschliche wie musikalische Räume auf“ (meint Julia Hofer). Hinzuzufügen bleibt noch: Pölling deckt so manches auf. Darunter auch die bisher unbekannten Seiten lieber Mitmenschen, von denen man (fast) alles zu wissen geglaubt hat: Thomas Feichter – du kein Musiker, welch ein Illtum

PS: Das Konzert inklusive Thomas Feichtners Gong-Bad und Lichtinstallation von OchoReSotto war übrigens toll. Und, ach ja: Allen herzlich willkommen im Herbst! 

Johanna von Polan